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Auch Dattelns Pfarrer Heinrich Plaßmann kennt Wut und Resignation

Foto: Kalthoff

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, die immer neuen Enthüllungen, erschüttern nicht nur Gläubige, diese naturgemäß aber ganz besonders. Unser Kollege Ulrich Breulmann, selbst überzeugter Katholik, hat einen Brandbrief an Papst Franziskus geschickt.Heinrich Plaßmann, Oberhirte der Katholiken in Datteln, versteht diesen Impuls und seine Ursache: eine tiefe Verunsicherung, wie weit und ob überhaupt noch der Kirche, moralische Instanz über Jahrtausende, zu trauen ist.

Wir sprachen mit dem Geistlichen (*1965), der 1993 zum Priester geweiht wurde und u. a. drei Jahre lang als Kaplan in Oer-Erkenschwick tätig war, bevor er im Oktober 2019 nach Datteln kam, über die Gefühle, die seine Gemeindemitglieder bewegen, aber auch ihn selbst. Eigentlich, das sagt er auch ganz offen, hätte Plaßmann dieses Gespräch lieber synodal geführt, also unter Beteiligung der aktiven Laien, etwa im Pfarrgemeinderat, doch er war einverstanden, als Priester, also Zugehöriger seiner am Pranger stehenden Kirche, gefragt zu werden.

Herr Plaßmann, was ist das vorherrschende Gefühl in diesen Tagen in Ihrer Gemeinde?

Da gibt es nicht das eine Gefühl. Da gibt es eine ganze Bandbreite von Gefühlen und Stimmungen. Und die ändern sich auch. Fassungslosigkeit mündet nicht selten in Wut und die dann in Resignation.

Wie ist das denn bei Ihnen ganz persönlich?

Natürlich bin ich fassungslos. Und ich denke intensiv darüber nach, wie ich zukünftig lebe und meine Arbeit gestalte vor dem Hintergrund dieser furchtbaren Geschehnisse, die Reaktionen der Kirche darauf.

Sie denken aber nicht etwa darüber nach, der Kirche und Ihrem Amt den Rücken zu kehren?

Nein, das nicht. Aber ich möchte schon viel stärker als bislang als Seelsorger tätig sein, mein eigentliches Priesteramt ausfüllen können.

Was hindert Sie denn daran?

Es gibt zu viel Arbeit in diversen Gremien. Diese, so stelle ich mir das vor, könnte auf andere Schultern verteilt werden, auch die von engagierten Laien in der Gemeinde. Das Amt des Priesters generell muss sich wieder ändern, wir verlieren doch zusehends Menschen, die das noch ausüben möchten - wir gehen auf Jahre ohne Priesterweihe im Bistum Münster zu....“

Wie steht es dann mit dem Zölibat? Das macht das Amt ja nicht gerade attraktiver für viele junge Männer. Was halten Sie denn vom Zölibat?
Es hat Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite bietet es eine große Freiheit und Unabhängigkeit. Auf der anderen.... man muss aufpassen, dass man nicht verschrullt. Das habe ich kürzlich so gelesen, und der Gedanke gefiel mir. Es ist schon etwas dran, dass man aufpassen muss, den Kontakt nach draußen, ins Weltliche, nicht zu verlieren. Und sicher: Manchmal denke ich auch, dass ein (weibliches) Regulativ auf der anderen Seite sicher einen Sinn machen kann.

Glauben Sie, dass der Zölibat, also die Verpflichtung zur Ehelosigkeit und sexueller Enthaltsamkeit, dem Missbrauch Vorschub leistet?

Nein, das glaube ich nicht. Es sind die Systeme, die es Sexualstraftätern leicht machen. Deswegen gibt es Missbrauch in der Kirche, in der Familie, in Sportvereinen. Überall dort, wo eigentlich Vertrauen herrscht. Und natürlich auch eine gewisse Unantastbarkeit: Man stellt den Priester, die Familie, den Verein nicht ohne weiteres in Frage. Das macht es Tätern einfach und Opfern so schwer.

In seinem Brandbrief an den Papst hat unser Kollege Ulrich Breulmann der Amtskirche vorgeworfen, immer erst dann Dinge zuzugeben und Reue zu bekunden, wenn es gar nicht mehr anders geht, der Vorwurf also zu 100 Prozent bewiesen ist. Würden Sie das unterschreiben?

Ich kann das nicht beurteilen. Was mich allerdings maßlos ärgert, ist, dass das Evangelium nicht ernst genommen wird. „Wir haben es nicht besser gewusst“ - also wenn ich das höre....
Das Evangelium, auf das wir uns seit über 2000 Jahren berufen, fordert, die Opfer, die Schwächsten, wahr- und ernst zu nehmen. Dass das nicht oder nur sehr zögerlich geschehen ist, dafür gibt es keine Entschuldigung.

Fürchten Sie eine neue Welle der Austritte aus der katholischen Kirche, auch hier vor Ort, im Ostvest?

Ich fürchte die nicht, die läuft doch schon. Und so traurig es ist: Ich kann jeden verstehen, der austritt. Wir hier an der Basis stehen ohnmächtig, einfach machtlos davor.

Vielleicht wäre es ja ganz hilfreich, wenn der eine oder andere Bischof in Deutschland sich von seinem Amt verabschieden würde. Fällt Ihnen einer ein, dem Sie das gerne nahelegen würden?

Das steht mir nicht zu. Allerdings finde ich, dass der eine oder andere Bischof ein Gespür dafür haben sollte, dass die Menschen nicht mehr hinter ihm stehen.
Können Sie mir einen Grund nennen, warum es trotz allem Sinn macht, in der katholischen Kirche zu bleiben?

Glaube kann Halt geben. Und Glaube in der Gemeinschaft zu leben und Religiosität zu feiern, das tut gut. Und es tut auch gut, gemeinsam aus diesem Glauben heraus Gutes zu tun.

von Elke Jansen, Dattelner Morgenpost vom 7.2.2022
 

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